Selbstlose Liebe ist Abbild Gottes

SELBSTLOSE LIEBE IST ABBILD GOTTES

 

(Karl Josef Romer, Sekretär des Päpstlichen Familienrates)

(9. Dez. 06, Waltenhofen-Memhölz, Allgäu / Akademie für Familienpädagogik, Schönsatt auf’m Berg)

 

            Wenn „Gott die Liebe ist“ (1Joh 4,8), dann muss geschöpfliche, menschliche Liebe im Schöpfer-Gott selber ihr Vorbild haben. – Da die Liebe aber das nicht nur „Nachgeahmte“, sondern das zum innersten Wesen de Menschen Gehörende ist, muss das bis zur Vollendung wachsende Leben des Menschen selbst immer Schule der Liebe sein. – So sprechen wir hier sowohl von der göttlichen (theologisch zu schauenden) Tiefe, aber auch von der die Familie gestaltenden Kraft der Liebe.

 

1. Göttliches Vorbild und menschliches Bild der Liebe

Zwar ist Liebe das menschlichste am Menschen. Aber diese Liebe ist sich nicht selbst Mass, sondern findet es nur in Gott.

  1. Wie hat sich Gottes Liebe uns erwiesen?

In der Menschwerdung ist Gott nicht nur „zu uns“ gekommen, sondern einer

von uns geworden. Darin sind zwei unsägliche Wahrheiten enthalten:

  • Er nimmt wahrhaft Anteil an unserem sterblichen, glücklichen und leidgeprüften Sein. Alles, ausser der Sünde (Heb 4,15), hat er von unserer Armut angenommen.
  • Und andererseits ist er gerade dazu Mensch geworden, nicht nur um zu sein wie wir, sondern, dass wir sein können wie Er, an seinem göttlichen Leben teilnehmend.

Wenn wir dies zu Ende denken, müssen wir einsehen, dass die Liebeseinheit in der heiligen Dreifaltigkeit das wirkliche Vorbild unserer erlösten zwischenmensch-lichen Beziehung ist. Gottes Leben selbst wird uns Ziel und gnadengeschenkte Möglichkeit. Die göttliche Seligkeit, das gegenseitig sich empfangende und sich schenkende Glück zwischen Vater und Sohn, im Heiligen Geiste, ist uns nicht nur durch eine (offenbarende) Mitteilung kund geworden, sondern die Gnade erhebt uns jetzt schon zur wahren Teilhabe an diesem göttlichen Leben. Darin erkennen wir mit unvergleichlicher Deutlichkeit, dass Offenbarung nicht nur Wort-Mitteilung ist, sondern göttlich sich verschenkende und uns annehmende Tat ist. Wir sind schon hineingenommen in die Liebesbeziehung zwischen Vater und Sohn, im hl. Geiste:

            „Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ (Joh 17,22-23).

  1. Gottes Liebe zu uns, Quelle aller Heiligkeit der Gemeinschaft

Wie Gott selber nicht allein, nicht einsam sein kann, sondern in seinem

innersten Wesen die drei-eine, sich selbst verschenkende Liebe ist, so muss Gott auch dann, wenn er im Herzen des Menschen lebt, diese seine dreifaltige Liebe in uns überfliessen lassen. Im begnadeten Menschen kann Gott nur Liebesgemeinschaft schaffen. Der Christ, der nicht diese göttliche Verbindung mit seinen Mitmenschen leben will, verleugnet mit seinem Leben das, was er mit Worten bekennt. So schreibt Papst Benedikt XVI in seiner ersten Enzyklika, Deus Caritas est: „In der Geschichte der Liebe, die uns die Bibel erzählt, geht er uns entgegen, wirbt um uns — bis hin zum Letzten Abendmahl, bis hin zu dem am Kreuz durchbohrten Herzen, bis hin zu den Erscheinungen des Auferstandenen und seinen Großtaten ... Immer neu geht er auf uns zu — durch Menschen, in denen er durchscheint; durch sein Wort, in den Sakramenten, besonders in der Eucharistie. Er hat uns zuerst geliebt und liebt uns zuerst” (17.1). – Und mehr noch, seine Liebe geht nicht nur unserer Liebe voran, sondern ist das formgebende Ideal unserer Liebe: “Die Art, wie Gott liebt, wird zum Maßstab menschlicher Liebe”. Im gleichen Satze begründet der Papst die Einheit und Ausschliesslichkeit der (monogamen) Ehe mit dem Geheimnis der (Ein-)Dreifaltigkeit: “Dem monotheistischen Gottesbild entspricht die monogame Ehe. Die auf einer ausschließlichen und endgültigen Liebe beruhende Ehe wird zur Darstellung des Verhältnisses Gottes zu seinem Volk und umgekehrt” (ibd. 11,2). Ja, es ist bedeutend zu sehen, dass im italienischen (und franz. span., engl., portug) Texte[1] die Familie nicht nur „die Darstellung“, sondern die bestaunenswerte „Ikone“ des Gottessverhältnisses zu seinem Volke genannt wird.

 

  1. Wie das dreifaltige „Wir“

Auf der Suche nach dem Menschen unternimmt es Gott mit göttlicher

Radikalitat, die erschöpften Kräfte der Herzen von Mann und Frau zu erneuern. Jesus drückt dies selber so aus: „Alle sollen eins sein: wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein...“ (Joh 17,21). Das Bild Gottes sein, wird also zu einem geheimnisvollen „Gleichwerden“ mit Gott: „Wie du in mir und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein“. Diese Gotteseinheit, die in uns und zwischen uns durch die heilige Gnade gewirkt wird, ist nicht nur das tiefste Geheimnis, das in der Ehe und Familie sakramental dargestellt wird, sondern diese Gnade will gelebt und bezeugt werden.

Die Christen müssen sich darauf bedenken, was das gemeinsame Beten vor

und in Gott bedeutet. Im Gebete ergiesst sich die belebende und einigende Kraft in die Herzen derer die zusammen, in Christus, zum Vater sprechen. Das gemeinsame Gebet in der Familie muss je und je ein heiliges Erleben sein. Wie Jesus, der unsere Schwachheit kennt, für uns betet: „Heiliger Vater, bewahre in deinem Namen die, die du mir gegeben hast, auf dass sie eins seien wie wir“ (Joh 17,11b; cf Hb 7,25), so ist das gemeinsame Familiengebet das gegenseitige sich Hineinnehmen in diese Flehen Jesu vor dem Vater.

Diese dreifaltige Gnade in uns muss auch ihre sichtbare Darstellung im

Zeugnis der apostolischen Arbeit finden. „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,18s). Und diese gelebte Liebeseinheit der Christen wird immer wieder Kriterium der Glaubwürdigkeit der Kirche, denn an ihr erfüllt sich, was Jesus erbittet: „Alle sollen eins sein (wie Gott eins ist) ... damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast“ (Joh 17,21).

  1. Glaubwürdig ist nur die selbstlose Liebe

Unwürdige Interessen, verborgen im Herzen des Menschen, können die

wirklichen Motive scheinbar guter Handlungen sein. Die Sündigkeit des Menschen, als Neigung oder als versteckte Absicht pervertiert die menschlichen Beziehungen. Paulus wiederholt das harte Wort von Psalm 115,11: „Jeder Mensch ist Lügner“ (Rom 3,4). Nur die Liebe, die im Feuer des Leidens gereinigt, und im Selbstverzicht ihre Kraft erprobt hat, ist fähig zu jenem reinen „zuerst lieben“. Diese Liebe vedient Vertrauen. Im Anblick des Geheimnisses des Kreuzes ruft Johannes aus „Wir glauben an die Liebe“ (1Joh 4,16). Johannes gebraucht dabei die sprachliche Form der unmittelbaren Vergangenheit („pepisteúkamen“: wir haben gelernt an die Liebe zu glauben). So bezeichnet er den bleibenden Effekt in uns, das Verbleiben in der  Liebe. Wo immer zwischen Menschen, speziell in der Familie, man lernt so zu lieben (aus dem in uns gegenwärtigen Gotte), wird jenes Vertrauen möglich, das jeden misstrauenden Zweifel besiegt.

 

2. Liebe braucht Vermittlung

            IN der irdischen Existenz braucht die Liebe immer Vermittlung. Denn Liebe empfindet sich als Wahrnehmung und Mitteilung des Grenzenlosen, des Unendlichen. Papst Benedikt XVI schreibt in seiner ersten Enzyklika: „(Es ist deutlich), daß Liebe irgendwie mit dem Göttlichen zu tun hat: Sie verheißt Unendlichkeit, Ewigkeit — das Größere und ganz andere gegenüber dem Alltag unseres Daseins” (DC 5.1). So ist denn weder ein Wort, noch ein Gestus aus sich allein in der Lage, all das auszudrücken oder darzustellen, was die Liebe beinhaltet. Um den wesentlichen Gegensatz zwischen dem durch die echte Liebe gemeinten Ewigen und der Dürftigkeit unserer Worte und Gesten, ist eine Vermittlung notwendig, in der demütige Wort nur dann hinreichend über sich selbst hinausweisen, wenn sie unter dem Anblick Gottes gesprochen sind.

2.1 Jesus, der Mittler des Vaters

Alles an Jesus, seine Existenz, seine Lehre, seine Selbsthingabe bis ans Kreuz, dies alles ist wie ein großes Symbol, durch welches jener Gott vermittelt wird, „den niemand je gesehen hat; der eingeborene Sohn, der an der Brust des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). – Ein menschliches, sehr menschliches Bild kann in etwa dies Vermittlung andeutend beschreiben. Im ersten Lebensabschnitt des Kindes ist der Vater erfahren als jemand, der zum Kinde nicht die gleiche Nähe besitzt wie die Mutter. Aber in dem Masse als die Mutter nicht nur in Worten und einzelnen Gesten den Kindern ihre innigste Liebe, ja ihre unbegrenzte Bewunderung für den Vater offenbart, treten die Kinder selber Anteil nehmend ein in die Intimität die zwischen ihren Eltern herrscht. In dem von der Mutter sichtbar gelebten Liebe zum Vater, entdecken die Kinder das wahre Bild ihres Vaters. – So haben die Jünger in der brennenden Liebe Jesu zum Vater das Bild des himmlischen Vaters erkannt. Nächte der Anbetung, sein beständiges sich Beziehen auf den heiligen und ausschliesslichen Willen des Vaters (Joh 4,34; 5,30; 6,38-39), die dem Vater dargebrachte Angst vor dem schrecklichen Tode, sein letzter Liebesgehorsam und der Aufschrei zum Vater:  „Vater, verzeih ihnen!“ (Lc 23,34), dies alles macht Jesu Leben und Sein zum offenbarenden Sakramente des Liebesgeheimnisses des geliebten und angebeteten Vaters, der „größer ist als er“ in seiner irdischen Existenz.

2.2 Die Kirche als zeichenhafte, sakramentale Vermittlung des Reiches Gottes

            So wie Jesus das vermittelnde Zeichen des Vaters ist, so ist die Kirche, durch ihr Wort,  ihre Sakramente, durch die Sendung der Apostel und ihrer Nachfolger, durch die Heiligkeit der Märtyrer und die alltägliche Treue unendlich vieler Glieder, in ähnlicher Weise die sakramental zeichenhafte Gegenwart des schon anwesenden und doch immer noch kommenden Reiches Gottes. In der göttlich gnadenhaften Innerlichkeit der Kirche ist das Reich schon wahrhaft eingepflanzt; aber in ihrer noch leidenden stets noch unvollständigen geschichtlichen Form steht dieses Reich noch unter dem Gesetze der „ungeduldigen Sehnsucht der Schöpfung“, in der „Hoffnung, von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit zu werden“ (Rm 8,19-21).

2.3 Die Vermittlungen der Liebe in der Familie

            Die Liebe, die nicht aus egoistischer Sucht lebt, wird immer wissen, dass das, was sie dem andern sagen will und sagen möchte, unendlich grösser ist als alles Gerede und alle Gesten. Diese Gesten und Worte sind aber trotz all ihren Ungenügens nicht überflüssig. Im Gegenteil, sie sind notwendig als die stets andeutende Bestätigung des göttlichen Geheimnisses, das die Familie in ihrem Innersten trägt. Diese in sich zwar immer ungenügenden Worte und Gesten verwandeln das Beieinandersein zur glaubenden Gnadengemeinschaft. Gerade so, durch Worte und Gesten, wird das Familienleben zum Erleben der gegenseitigen Liebe und Wertschätzung. Die schlichte Einfachheit der Worte und Gesten bedeutet aber auch, dass jeder in der Familie viel Grösseres in sich trägt, als wir uns bezeugen können, nämlich göttliche Würde. So sind wir inmitten von Leid und Enttäuschung eben doch immer schon Gottes Kinder, und gerade deshalb, weit über die Bande von Blut und Fleisch, wirklich Brüder und Schwestern. Liebe, Respekt, Schamgefühl und Ehrlichkeit werden zu Zeichen dafür, dass es Gottes unendliche Freigebigkeit ist, die unsere doch immer noch irdische Liebe befruchtet und heiligt.

 

3. Die Familie ist der privilegierte Ort der selbstlosen Liebe

3.1 In welchem Sinne ist die Heilige Familie Vorbild?

            Wenn die Hl. Familie auch etwas Einmaliges und Ausschliessliches an sich hat, gibt sie uns eben doch, und gerade auch in ihrer Einzigartigkeit, Aufschluss über den innersten Wert unserer Familien und über die Aufgabe, die ein jeder vor Gott und den andern Familiengliedern hat.

            Gerade in dem Sinne, als jeder in der Hl. Familie von Gott seine Erwählung und Sendung bekommt, sind die Glieder dieser Hl. Familie gegenseitig, einer für den andern, Geschenk Gottes. Geschenk Gottes für die andern sein, und die andern akzeptieren als Gottes Geschenk an mich, dies ist das Geheimnis der wahren familiären Gemeinschaft.

            Die hl. Propheten erschauderten vor der Heiligkeit Gottes (vgl. Is 6; Ex 3,14). Mehr als Isaias im Tempel, mehr als Moses vor dem brennenden Dornbusch erfährt Josef an Maria eine unsaussprechbare Anwesenheit Gottes. Der Engel kündet es ihm: „Josef, Sohn Davids, scheue dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen, denn was in ihr gezeugt ist, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Gerade durch diese Auserwählung Marien erkennt sich Josef als auserwählt durch Gott, um im Namen Gottes der Beschützer des göttlichen Heiligtums auf dieser Erde zu sein, Hüter der Erfüllung aller Verheissungen Gottes an sein Volk. Die Einsamkeit, in der er keine Frau besitzt, ist der Ort in dem er die höchste göttliche Auserwählung erkennt. Nicht sein Verdienst, sondern die Gegenwart seiner heiligen Braut enthüllt ihm seine wahrhaftige Berufung.

            Auch sein Beziehung zu Jesus ist von unvergleichlicher Einzigkeit. Josef ist der einzige Mann der Geschichte, der durch den Sohn Gottes als Vater, „Papa“ angeredet wird. Alles, was er durch diesen „seinen“ geheimnisvoll göttlichen Sohn sein darf, ist ihm ohne Verdienst, aus reiner Gnade geschenkt. Die Gratuität der Anwesenheit Jesu in dieser Familie, wird zur Gratuität seiner eigenen Vater-Berufung.

            Aber auch an Maria vollzieht sich die selbe Ungeschuldetheit der Gnade, und dies vor Gott, aber auch vor Jesus und vor Josef. Maria darf Mutter und Jungfrau sein, ohne dass ihr Name vor der Gesellschaft preisgegeben wird. Denn Josef erfüllt seine Sendung, indem er als Mann den Namen Marien schützt (er gilt vor der Welt als ihr Mann), und er gibt vor der Öffentlichkeit Jesus, dem angebeteten Gottessohne, den zivilen Namen (cf. Mt 1,21).

            Mit mütterlicher Innigkeit darf Maria als ihr Kind den liebkosen, der ewig geboren ist aus dem himmlischen Vater. Der, der nur Gott als Vater hat, hat nur Maria als seine Mutter.

            Jesus braucht irdischen Bürgertitel. Josef wird ihn einführen in die Synagoge. Ohne Josef könnte er kein Ehrenmann sein vor der Welt. Und zu gleicher Zeit gibt Jesus seinem Pflegevater Josef das, was kein Prophet je erahnen konnte: Josef darf mit Vaterliebe den Sohn Gottes lieben.

            Alles gibt Maria ihrem Sohne Jesus; aber nur seietwegen und durch ihn ist sie zur Gnadenvollen geworden, die Gebenedeite unter allen Frauen. Und von Jesus empfängt sie das unvergleichliche und unwiederholbare Privilegium, selber passiv-aktive Teilhabe an der Erlösung der Welt zu haben  (vgl. Joh 19,25ss; Lc 2,49).

            Jeder in der Hl. Familie erhält seine wirkliche Berufung von Gott; und trotzdem erhält und besitzt jeder diese seine Berufung wegen der anderen Personen, die diese Familie bilden. – In ähnlicher Weise, in der christlichen Familie, muss und darf jeder vor den andern den von ihm geschenkten Plan Gottes leben. Und zugleich darf jeder Hilfe sein, damit die andern ihre göttliche Berufung voll leben.

            So ist das in-der-Familie-Sein eine gegenseitige ungeschuldete Gabe, ein Gabe die keiner durch eigenen Titel fordern kann, sondern von den andern als reines Geschenk Gottes empfangen darf.

3.2 Die Vielförmigkeit der unentgeltlichen Liebe in der Familie

            An drei Beispielen kann etwas Wesentliches der aus göttlicher Kraft lebenden geistigen Würde der Familie abgelesen werden:

  1. Die liebende Aufnahme. Christliche Eltern haben sich das Jawort

gegenseitiger Annahme nicht einfach nach dem Massstabe eigennütziger Liebe gegeben, sondern sie haben darin Ideale gesehen und bejaht, die je im Herzen des andern lebendig sind. Und dann, jedes Kind, selber di Frucht grossherziger und vertrauender Liebe der Eltern, wurde durch diese als Geschenk des ewigen Gottes angenommen. Das Kind, bei all seiner Verletzlichkeit und Empfänglichkeit für das Schöne und Gute, ist das Wunde der Gegenwart Gottes unter den Menschen. Wenn man die beglückenden Qualitäten des Kindes, aber auch seine vielleicht schmerzlichen Leiden noch nicht kennt, nehmen alle in der Familie als ihr eigenes Glück an. Sie nehmen es in liebender Teilnahme und gesegneter Bereitschaft an. Und wenn die Kinder erwachsen werden, können sie immer wieder zurückkommen, wissend, dass im Herzen von Vater und Mutter ihr wahres Heim noch immer besteht. Diese liebende Annahme unter Brüdern und Schwestern bleibt der Segen, der von den Eltern auf die Familie ausgegangen ist.

  1. Das Verzeihen: Wie sehr eine Familie auch in christlicher Würde und

Verantwortung leben will, es entstehen immer wieder Situationen, die nur durch ein grossherziges Verzeihen geheilt werden können. Die oft undurchsichtige Kompliziertheit des Alltagesbedarf dieser Gabe, nicht aus egoistischer Berechnung, sondern nach dem Masse grossherzigen Verschenkens. Ein edles Herz besteht auf dem Geben und Schenken, selbst – ja gerade – dort wo der andere das Verzeihen eben nach nüchternem Rechte nicht einfordern, sondern nur in aufrichtiger Gesinnung dankend empfangen kann. Das verzeihende „Ver-geben“ ist vielleicht die reinste Form des „Gebens“. Diese Haltung muss beständig an denkleinen Dingen, die unsere Nerven belasten können, geübt werden, dann ist der Weg zu neuem Vertrauen auch in schweren Stunden des Leben offen.

  1. Das Beschützen: Familie ist der Ort des Urerlebnisses von Liebe und

Zuneigung. Diese Liebe hat in ihrem innerste Wesen etwas ganz Besonderes an sich. Schon zwischen Eltern undK8indern, und zwischen den Kindern erwacht eine Liebe, die gepaart ist mit Verantwortung, eine Liebe, die den andern nie „gebrauchen“ will, und trotzdem ihn bewundert und liebt aus tiefster Kraft der Seele. Allerdings, angesichts der nackten Frechheit, die nicht nur im Internet die Gemüter der Kinder und Erwachsenen berieselt, sondern sogar in Schulprogrammen (Sexualerziehung) die Ehrfurcht und Schamhaftigkeit durch plumpe Neugier und Dreistigkeit ersetzt, sind selst Grundwerte der Familie der Gefahr ausgesetzt. Deshalb ist ein Klima spontaner Liebe und Zuneigung, gepaart mit Respekt und gesundem Schamgefühl, eine dringende Aufgabe der Familie. In einer gesunden Familie gehören Scham und Zuneigung zusammen. So wird die in der Familie gelebte brüderliche und schwesterliche Liebe sogar zum Modell der Gesundung der Gesellschaft. Papst Johanne3s Paul II hat am Hohen Donnerstag 1995 in seinem Briefe an alle Priester der Welt es beredt zum Ausdruck gebracht, dass die brüderliche und schwesterliche Liebe als Vorbild genommen werden muss für den verantwortungsvollen und wohlwollenden Kontakt des Priester mit Frauen.

Die Familie ist der privilegierte Ort, wo die unentgeltliche (selbstlose) Liebe

geformt und gepflegt werden kann.

 

(teils veröffentlicht in l’Oservatore Romano Juni/Juli 06)



[1] Der lateinische Text sagt: “Matrimonium, quod in amore unico ac definito fundatur, imaginem efficit Dei necessitudinis cum eius populo ac vicissim